Filmkritik: White Zombie (Victor Halperin, 1932)

Filmkritik: White Zombie (Victor Halperin, 1932)

Copyright: Kino Lorber
Copyright: Kino Lorber

Bela Lugosis stechender Blick in Dracula (1931) schrieb Filmgeschichte und zählt auch heute noch zu den vielzitierten Qualitäten des Werks. Deswegen verwundert es auch kaum, dass der Schauspieler sein berühmtes Augenpaar bereits kurze Zeit später in White Zombie (1932) abermals prominent zur Schau stellen durfte. Unter der Regie von Victor Halperin entstand dabei eine Independent-Produktion, die es mit dem großen Bruder Universal – in den 1920er und 1930er Jahren prägte das Hollywood-Studio die Erscheinungsform des Gruselgenres durch Veröffentlichungen wie Das Phantom der Oper (1925), Spuk im Schloß (1927), Frankenstein (1931) und Die Mumie (1932) aufs Nachhaltigste – aufzunehmen versucht. Dies gelingt White Zombie sicherlich auch in vielerlei Hinsicht, nichtsdestotrotz gibt es einige Aspekte, die sich Kritik gefallen lassen müssen.

Um die frisch verheiratete Madeleine Parker (Madge Bellamy) für sich zu gewinnen, lässt sie der Plantagenbesitzer Beaumont (Robert Frazer) vom Voodoopriester ‚Murder‘ Legendre (Bela Lugosi) in einen willenlosen Zombie verwandeln. Doch die zweisamen Stunden mit der vom Bannfluch gefügig gemachten Dame gestalten sich anders, als erhofft. Beaumont realisiert, dass an Madeleine nunmehr das wichtigste – ihre Seele – verloren gegangen ist und fordert den Voodoopriester auf, sie umgehend zurückzuverwandeln. Zu spät bemerkt der Plantagenbesitzer, dass sein zwielichtiger Komplize bereits ureigene Pläne für sich und die junge Frau geschmiedet hat.

Nur wenige Gemeinsamkeiten verbinden die aktuellen – maßgeblich durch George A. Romero (Die Nacht der lebenden Toten (1968), Zombie (1978)) geprägten – Zombiefilme mit Victor Halperins Gruselstreifen. Wer hier also aufgrund des Titels etwa Fleisch fressende Untote erwartet, der sei zunächst vorgewarnt. Denn im Gegensatz zum rabiaten Epidemiekonzept der jüngeren Vertreter präsentiert sich White Zombie als geradezu gemächliches Werk, welches das Untoten-Phänomen noch im traditionellen Kontext des haitianischen Voodooglaubens verortet und demzufolge das Motiv des willenlosen Sklaven stark macht. Hierbei forciert der Film bewusst die exotische Komponente der Geschichte, so beispielsweise in der Eröffnungsszene. Gezeigt wird dort zu Beginn eine sonderbar anmutende Beerdigungszeremonie auf den Straßen Haitis – ein Erlebnis, das der Protagonist gegenüber seiner künftigen Ehefrau mit der ironischen Anmerkung „Well, that’s a cheerful introduction for you to our West Indies“ kommentiert und damit in einen Kosmos voller fremdartiger Rituale und Bräuche eintritt.

Wie bereits eingangs angedeutet, hinterlässt White Zombie einen durchaus zwiespältige Eindruck. Über weite Strecken schickt sich das Werk an, zum Genreklassiker zu avancieren, verschenkt dann aber in einigen entscheidenden Momenten bedauerlicherweise sein Potenzial. So bietet der Film zwar zunächst eine ansprechende Prämisse, schafft es jedoch nicht, sie auch mit einem gänzlich adäquaten Drehbuch zu unterfüttern. Deutlich treten Defizite in Bezug auf Figurenzeichnung und Konfliktlösung – zum Beispiel die nur wenig eleganten Deus ex machina-Momente im Finale – in Erscheinung. Zudem ist im ersten und letzten Drittel, d.h. in Exposition und Auflösung, zu bemerken, dass der Film wiederholt mit einem unglücklichen Gespür für Rhythmus und Timing – bzw. allgemein Szenenlänge – dahin holpert und sich infolgedessen selbst bei einer 70-minütigen Produktion narrativer Stillstand einstellt – bei nüchterner Betrachtung aber auch ein Problem, mit dem beispielsweise Tod Brownings Dracula trotz seines Klassikerstatus zu kämpfen hat.

Die harsch anmutende Kritik verdeutlicht, dass es White Zombie in einigen Belangen ein wenig an Feinschliff mangelt. Selbst als Liebhaber des frühen Gruselkinos lassen sich derartige Punkte nicht gänzlich wegdiskutieren oder übersehen. Doch wieso ist das Werk nichtsdestotrotz einen Blick wert? Die Antwort auf diese Frage hört auf den Namen Arthur Martinelli. Seine kunstvollen Schwarzweiß-Aufnahmen sprühen vor Grazie und veredeln den erzähltechnisch eigenwilligen Gruselfilm. Zusätzliche Aufwertung erfahren die Bildkompositionen des Italieners durch zahlreiche tricktechnische Prozesse (u.a. Splitscreens/Doppelbelichtungen und Matte Paintings), die das Label state of the art absolut verdienen und White Zombie zu einem Hingucker machen.

Exemplarisch lässt sich die fotografische Virtuosität von White Zombie anhand der Zuckerrohrmühlenszene nachvollziehen, in welcher Beaumont mit einer sinisteren Sklavenarmee konfrontiert wird. Abseits der Bildgestaltung tritt in der Szene aber zudem ein anderer interessanter Aspekt in den Vordergrund. Denn als einer der Zombiesklaven unversehens in das rotierende Mahlwerk der Anlage kippt, scheint die Szene – vielleicht aus einer allzu stark verzerrten Rezipientenperspektive – bereits unterschwellig den Zombiefilm à la George A. Romero vorwegzunehmen, wenn auch ohne jedwedes Blutbad. Einerseits manifestiert sich dieser Anschein im diffusen Grundtenor jenes Moments, andererseits entfalten sich handfeste Assoziationsketten, die den Unfall im Kopf des Genrefreunds mit der Rotorblattenthauptung in Zombie kurzschließen.

Victor Halperins White Zombie offenbart in puncto Narration und Figurenzeichnung zwar durchaus Schwächen, vermag diese aber durch andere Vorzüge zu kompensieren. Wie zuvor dargelegt, wirkt sich dabei vor allem Arthur Martinellis Kameraarbeit positiv auf den Gesamteindruck aus. Natürlich muss schlussendlich der potenzielle Rezipient selber entscheiden, ob er in Anbetracht der Argumente, respektive der berechtigten Kritikpunkte, einen Blick riskieren möchte. Aber zumindest stark visuell orientierte Gruselfilm-Aficionados sollten sich das Werk keinesfalls entgehen lassen. Eine Empfehlung noch zum Schluss: White Zombie bietet sich für ein Double Feature mit dem ähnlich gelagerten Ich folgte einem Zombie (Jacques Tourneur, 1943) geradezu an.

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