Filmkritik: Die Verfluchten (Roger Corman, 1960)

Filmkritik: Die Verfluchten (Roger Corman, 1960)

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Edgar Allan Poe gehört sicherlich zu den bedeutendsten und bekanntesten Autoren auf dem Gebiet der Thriller- und Horrorliteratur. Unzählige seiner Kurzgeschichten und Lyriken dienten so auch seit Beginn des Kinos als Vorlage zahlreicher Verfilmungen. Zu den bekanntesten zählen hier sicherlich die in den 1960er-Jahren für American International Pictures (AIP) unter der Mitwirkung (Regie) Roger Cormans entstandenen Werke; so auch Die Verfluchten (OT: House of Usher), eine Adaption eines von Poes berühmtesten Werken (The Fall of the House of Usher), und geradezu idealtypisch für die von AIP produzierten Poe-Verfilmungen.

Erzählt wird hier das Schicksal Rodericks (Vincent Price) und Madelines (Myrna Fahey) Usher, einem Geschwisterpaar, welches, als letzte noch lebende Nachkommen des Geschlechts der Usher, zurückgezogen auf dem Landsitz der Familie in Neu England wohnt. Die tragische Geschichte nimmt ihren Lauf, als der junge Philip Winthrop (Mark Damon) den Familiensitz besucht, um Madeline, die er zuvor in Boston kennen und lieben gelernt hat, zu sich in die Stadt zu holen. Roderick ist jedoch strikt dagegen und nach einigem Zögern weiht er den Fremden in das finstere Geheimnis der Familie Usher und seines Hauses ein. Ein Fluch liege auf dem Geschlecht und die Usher seien zum Tode verbannt und fürwahr scheint auch das Haus bisweilen ein gar bedrohliches/gruseliges Eigenleben zu führen. Als sich Madeline dann gegen den Willen ihres Bruders entschließt, mit ihrem Geliebten nach Boston zu ziehen, eskaliert die Situation vollends…

Kenner der Originalgeschichte werden nun sicherlich ein wenig mit der Nase rümpfen, hat man im Hause AIP doch ein wenig an der Story gefeilt, um sie wohl ein bisschen massentauglicher zu machen. So ist die Liebesgeschichte zwischen Philip und Madeline ein Produkt jener Modifikationen, kommt sie in Poes Vorlage nicht vor und daher ist auch die Motivation der handelnden Personen im Vergleich zur Kurzgeschichte natürlich eine andere. Abgesehen von einigen kleineren Ungereimtheiten in der Handlung, die auch nicht wirklich ins Gewicht fallen, stört dies das Sehvergnügen jedoch nicht, da man als Zuschauer viel mehr damit beschäftigt ist, in diese wunderbar morbide Atmosphäre einzutauchen, die der Film ausstrahlt.
Eingefangen in knackigem CinemaScope und einer schönen, düsteren Farbpalette – für AIP übrigens ein Novum in Farbe zu drehen, war man vorher doch nur auf der wirklichen Low-Budget-Schiene vertreten; natürlich in schwarz-weiß – lässt schon die Eröffnungssequenz die Herzen unzähliger Genrefans aufblühen, wenn Mark Damon hoch zu Ross durch einen abgestorbenen Wald reitet und dann den Landsitz der Ushers erblickt , wie dieser bedrohlich und von Nebelschwaden umzogen an einem kleinen Weiher stehend aus der Landschaft hervorsticht.

Dies ist im Grunde ein Vorgriff auf das herrschende Motiv aus Poes Vorlage und somit auch des Films: (geistiger) Verfall bis hin zum Wahnsinn, der aber auch mit einem materiellen Verfall des Herrenhauses mit einhergeht, was wunderbar die Doppeldeutigkeit des Vorlagentitels unterstreicht, die beim deutschen bzw. amerikanischen Verleihtitel so leider nicht zum Tragen kommt. Und so setzt Corman dieses Leitthema auch sehr schön im Verlauf um, wenn das Haus zu beben beginnt, sich Risse auftun und dazu auch Roderick immer manischer wird und die Stimmung so von Minute zu Minute an Kompaktheit gewinnt, während man auf die unvermeidbare Katastrophe steuert – eingepackt in ein vorzügliches vom Produktionsdesign geschaffenes gotisches Set im Inneren des Usher-Gemäuers.

Da der Film als eine Art Kammerspiel aufgebaut ist und insgesamt nur vier Charaktere auftauchen, lastet auf den Schauspielern eine umso größere Verantwortung für das Gelingen. So brilliert vor allem der mit gebleichtem Haupthaar agierende Vincent Price, dessen Darstellung des Roderick schon von Beginn an für Unwohlsein beim geneigten Zuschauer sorgt – und was will man bei einem Horrorfilm eigentlich mehr? Daher stehen Mark Damon, der später übrigens in diversen italienischen Produktionen auf der Leinwand zu sehen war, und Myrna Fahey auch merklich im Schatten Prices, wenngleich sie ihre Sache trotzdem gut machen. An dieser Stelle sei dann übrigens auch Harry Ellerbe erwähnt, der Bristol, den etwas schrulligen Butler der Ushers, spielt.

So gewährt Die Verfluchten, wenn man nun ein Fazit zieht, einen wunderbaren Einblick in das Genrekino der 50iger- und 60iger-Jahre und eine Zeit, in der Produktionen aus so berühmten Häusern wie den Hammer Films, Amicus Productions oder auch von AIP für dieses wohlige Gruseln im Kinosaal gesorgt haben. Nicht nur für Fans ein Muss.

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