Filmkritik: Im Geheimdienst (Fritz Lang, 1946)

Filmkritik: Im Geheimdienst (Fritz Lang, 1946)

Copyright: Studiocanal
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Nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten gelang es dem Regisseur Fritz Lang, noch zahlreiche Perlen zur eigenen Filmographie hinzuzufügen. Nicht selten handelte es sich dabei um Werke, die inhaltlich und stilistisch der Schwarzen Serie, d.h. dem amerikanischen Film Noir, zuzuordnen waren. Auch Im Geheimdienst (OT: Cloak and Dagger, 1946) lässt sich im weitesten Sinne unter diesem Oberbegriff subsumieren. Aber noch weitaus signifikanter als jene Form der Kategorisierung ist seine Zugehörigkeit zum Lang’schen Anti-Nazi-Filmkanon. Mit Werken wie Menschenjagd (1941), Auch Henker sterben (1943) und Ministerium der Angst (1944) griff der Regisseur die akute Bedrohung durch das faschistische Regime seiner Heimat im Spielfilm-Format auf und bezog auf politischer Ebene Stellung. Im Geheimdienst ist sowohl innerhalb dieses Kanons als auch im Kontext der gesamten Filmographie nur im qualitativen Mittelfeld anzusiedeln. Warum der Spionage-Thriller schlussendlich nicht besser abschneiden konnte, soll im Folgenden diskutiert werden.

Aufgrund zahlreicher Informationen, die die Entwicklung deutscher Atombomben implizieren, schickt der US-amerikanische Geheimdienst den Physiker Alvah Jesper (Gary Cooper) während des Zweiten Weltkriegs nach Europa. Sein Weg führt ihn dabei über die Schweiz nach Italien, wo Jesper auf seinen alten Kollegen Dr. Giovanni Polda (Vladimir Sokoloff) trifft. Dieser steht mittlerweile im Dienst der Nationalsozialisten, für die er am deutschen Nuklearwaffen-Programm arbeitet. Was Jesper jedoch zunächst nicht ahnt, Dr. Poldas wissenschaftliches Engagement ist keinesfalls freiwilliger Natur, sondern wird einzig und allein durch die gekidnappte Tochter Maria sichergestellt. Um den italienischen Forscher für sich zu gewinnen, beschließt Prof. Jesper, eine Rettungsaktion für die junge Frau in die Wege zu leiten…

Im Geheimdienst rangiert innerhalb von Fritz Langs Filmographie, die Werke wie M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931), Metropolis (1927), Geheimnis hinter der Tür (1947) und Heißes Eisen (1953) hervorgebracht hat, nur im qualitativen Mittelfeld und genießt auch aus filmhistorischer Perspektive kein sonderlich großes Renommee. Zwar lässt sich auf der Habenseite konstatieren, dass sich dem Zuschauer hier ein durchweg routiniert gefilmter Agententhriller – inkl. der einen oder anderen spannungsgeladenen Sequenz – präsentiert. Darüber hinaus kommen aber nicht sonderlich viele positive Attribute zum Vorschein. So geht dem Werk beispielsweise der charakteristische Esprit sonstiger Fritz Lang-Produktionen vollkommen ab. Stattdessen schleichen sich im Verlauf der Spielhandlung vermehrt signifikante Mankos ein, zu welchen etwa Drehbuchschwächen und auch eindeutige narrative Fehlentscheidungen zählen.

Grundsätzlich fällt zunächst auf, dass der Spielfilm mit einem allzu geschwätzigen und tempoarmen Drehbuch zu kämpfen hat. Hierfür zeichnet das Duo Albert Maltz und Ring Lardner Jr. verantwortlich – beides versierte Drehbuchautoren, die mit Im Geheimdienst bedauerlicherweise nicht ihre beste Leistung abliefern. Eine etwas stringentere Erzählweise wäre als Gegenmittel sicherlich hilfreich gewesen, leidet doch insbesondere die letzte Stunde des Agententhrillers vermehrt an zuvor benannten Schwachstellen. Aber auch abseits dieser Kritikpunkte erweist sich die zweite Hälfte der Produktion als problematisch. Verantwortlich dafür ist die Entscheidung, den narrativen Schwerpunkt – vom Agentenplot hin zur aufkeimenden Liebesbeziehung von Alvah und Gina (Lilli Palmer) – zu verlagern. An sich absolut legitim, bietet sich dadurch im Idealfall die Möglichkeit, empathische Anknüpfungspunkte für den Zuschauer zu generieren. Soweit zumindest in der Theorie. Leider aber verharrt die Liebesgeschichte auf dem Niveau eines Fremdkörpers, wodurch sie letztendlich nur wie eine deplatzierte, anorganische Pflichtübung des klassischen Erzählkinos wirkt und dem Film keinen sonderlichen Tiefgang verleiht.

Im größeren Zusammenhang betrachtet, führt die Fokussierung der Liebesgeschichte unter anderem auch dazu, dass Im Geheimdienst die deutlich spannendere Storyline zugunsten des romantischen tête-à-tête geflissentlich ignoriert. Während Alvah der Widerstandskämpferin Gina näherkommt, widmen sich die restlichen Partisanen der Befreiung von Maria Polda, was der Spielfilm nunmehr bedauerlicherweise ausspart, obwohl solch ein Subplot für das filmische Gesamtkonzept die deutlich aufregendere Option dargestellt hätte. Zudem ließe sich hieraus ein erheblich runderer letzter Akt konstruieren. In der jetzigen Form offenbart das Finale mit einem kurzen Knall, dass die Partisanen eine falsche Maria zum verabredeten Treffpunkt gebracht haben. Der Zuschauer erfährt retrospektiv, dass Prof. Poldas Tochter bereits verstorben ist und der Vater lediglich mit gefälschten Lebenszeichen zur weiteren Kooperation genötigt wurde. In diesem Kontext wäre es durchaus eine Überlegung wert gewesen, dem Zuschauer bereits früher einen Informationsvorsprung gegenüber den Figuren einzuräumen und so – statt einem schnell verpuffenden Schockeffekt – ein Geflecht aus wiederkehrenden Suspense-Momenten bis zum Finale hin aufzubauen.

Im Geheimdienst ist nicht das große Highlight im Œuvre des österreichischen Regisseurs. Zwar bietet der Spielfilm durchaus solide Unterhaltung, jedoch sollten sowohl Neulinge als auch erfahrene Fritz Lang-Aficionados bei seinen Anti-Nazifilmen doch wohl lieber auf Werke wie Ministerium der Angst, Menschenjagd und Auch Henker sterben zurückgreifen. Während der Genuss von Im Geheimdienst durch zahlreiche Schwächen größerer und kleinerer Natur beeinträchtigt wird, geben sich die anderen Werke des Kanons im Hinblick auf Drehbuch und Inszenierung bedeutend souveräner. Schlussendlich bleibt Im Geheimdienst einzig und allein aufgrund seiner Atombomben-Thematik als Stück Zeitgeschichte relevant, auf filmischer Ebene hingegen gelingt es dem Werk nicht, aus der Masse herauszustechen.

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