Filmkritik: Re-Animator (Stuart Gordon, 1985)
Nur ein flüchtiger Blick in Stuart Gordons Filmographie genügt, um seiner ausgeprägten Vorliebe für das düstere Schaffen des Schriftstellers H.P. Lovecraft gewahr zu werden. Denn gleich mehrfach im Verlauf seiner Karriere griff der Regisseur und Drehbuchautor auf das umfangreiche Werk des literarischen Horrorpapstes zurück und schuf auf jener Basis Spielfilme wie From Beyond – Aliens des Grauens (1986), Castle Freak (1995), Dagon (2001) und die Masters of Horror-Episode Dreams in the Witch House (2005). Seine bekannteste wie gleichermaßen beliebteste H.P. Lovecraft-Adaption dürfte – trotz aller Konkurrenz im eigenen Œuvre – jedoch zweifelsohne Re-Animator (1985) sein, welcher von Anhängern des Splattergenres beinahe kultisch verehrt wird. Auf welchem Fundament ein derart positiver Grundtenor fußt, soll u.a. im Folgenden beleuchtet werden.
Herbert West (Jeffrey Combs) strebt danach, tote Körper mittels eines Serums zu reanimieren. Nach einem blutigen Fehlschlag an der Züricher Universität sieht sich der junge Medizinstudent jedoch gezwungen, das Land zu verlassen und seine Forschungen in den Vereinigten Staaten fortzusetzen. Dort mietet er sich bei seinem Kommilitonen Dan Cain (Bruce Abbott) ein und nötigt diesen, seine Untersuchungen zu fördern. Schnell überschreiten sie dabei jedwede ethische Grenze, nur um dem Traum vom ewigen Leben näherzukommen. Doch das Duo hat nicht mit der rasenden Gewaltbereitschaft der wiederbelebten Versuchsobjekte gerechnet. Ein Kampf auf Leben und Tod entbrennt.
Stuart Gordons Re-Animator greift auf das klassische Motiv des mad scientist zurück. Als stoischer Wissenschaftler mit Gottkomplex steht Herbert West somit ganz in der Tradition solch illusterer geistiger Vorfahren wie Henry Jekyll, Dr. Moreau und Viktor Frankenstein, wobei insbesondere die inhärente Nähe zur letztgenannten Figur unverkennbar erscheint. Wie Frankenstein fühlt sich auch West dazu auserkoren, die Grenzen der menschlichen Existenz auszuloten und die Naturgesetze nach eigenem Gusto kurzerhand neu zu definieren. Verkörpert wird der an Hybris leidende Mediziner dabei von Jeffrey Combs (Bride of Re-Animator (1989) und Beyond Re-Animator (2003)), dessen Charme hier eine subtile Gratwanderung zwischen Babyface und Serienkiller vollzieht.
Diese bizarre Verquickung fügt sich nahtlos in das filmische Gesamtkonzept aus intertextuellen Verweisen. Wiederholt zollt Regisseur Stuart Gordon dem Master of Suspense Alfred Hitchcock – respektive seinem Schwarzweiß-Klassiker Psycho (1960) – Tribut, was sich auf unterschiedlichen Wegen manifestiert. So lässt etwa der Soundtrack von Richard Band keinerlei Zweifel an seiner Inspirationsquelle. Aber auch konkrete Filmszenen greifen Elemente aus Hitchcocks Proto-Slasher auf und integrieren sie mit einem Augenzwinkern in die Struktur von Re-Animator. Bestes Beispiel hierfür ist die zweite Begegnung mit der untoten Katze von Dan Cain. Während diese im Keller versucht sich dem Zugriff der Mediziner zu entziehen, stößt das Duo an die tief hängende Deckenbeleuchtung und knüpft somit an die pendelnde Glühbirne aus dem Schlussakt von Psycho an. Auch die antagonistischen Charaktereigenschaften des Protagonisten reihen sich – wie bereits angedeutet – in diese intertextuelle Verweisstruktur ein, verlinken sie doch schließlich Herbert West direkt mit Norman Bates und eröffnen damit eine instruktive Metaebene für Re-Animator.
Abseits derartiger Überlegungen lässt sich die Popularität von Re-Animator natürlich auch auf die drastischen wie gleichermaßen unterhaltsamen Gore-Einlagen zurückführen. Hierbei erwartet den Zuschauer jedoch kein absolut unkontrolliertes Blutbad. Vielmehr bietet das Werk wohl dosierte bzw. effektiv inszenierte Gewaltspitzen, die über die Jahre nichts von ihrem schroffen Charme verloren haben und wesentlich zur latent dreckigen Atmosphäre beitragen. Ohne an dieser Stelle in den immerwährenden Diskurs „CGI vs. handmade“ einsteigen zu wollen, zeigt sich hier jedoch deutlich, was liebevolles Special Effects-Handwerk auch ohne digitale Unterstützung zu leisten vermag. Abgerundet wird das blutige Bouquet aus reanimierten Leichen durch einen wiederkehrenden Hang zu schwarzhumorigen Situationen, wodurch der Re-Animator schlussendlich auch nicht in allzu ernste Gefilde abdriftet, sondern sich vielmehr durch satirische Züge profiliert.
Re-Animator zählt ohne Zweifel zu den sehenswertesten Genrebeiträgen der Dekade. Der Horrorfilm offenbart dem Rezipienten eine ansprechende Melange aus exquisiten Splatter-Effekten und schwarzhumorigen Einlagen – gepaart mit ein wenig full frontal nudity just im richtigen Moment. Zusammengeführt werden diese Komponenten in einer rhythmisch ausbalancierten wie zugleich temporeich inszenierten Erzählung. Insbesondere letztgenannter Aspekt zeigt sich dabei bereits während der pre-title sequence, welche die Zuschauer mittels eines cold open direkt ins blutige Geschehen an der Züricher Universität wirft. Abgerundet wird Re-Animator schlussendlich durch die Implementierung zahlreicher intertextueller Bezüge. Diese verleihen dem Werk auf intelligente Art und Weise zusätzliche Facetten und verneigen sich zugleich vor der eigenen Genregeschichte.
2 Gedanken zu „Filmkritik: Re-Animator (Stuart Gordon, 1985)“
Re-Animator ist ein toller, handgemachter Horrorfilm der alten Schule und gehört für mich auch mit dem ironischen Augenzwinkern zu den wenigen gelungenen Lovecraft-Adaptionen. Tolle Kritik! 🙂
Vielen herzlichen Dank! Stimme mit dir absolut überein, dass Re-Animator unter den Lovecraft-Verfilmungen zweifelsfrei positiv hervorsticht.