Filmbesprechung: Redline (Takeshi Koike, 2009)

Filmbesprechung: Redline (Takeshi Koike, 2009)

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Animes, d.h. japanische Animationsfilme, waren hierzulande lange eher eine Randerscheinung. Zwar wurde 1959 mit Der Zauberer und die Banditen schon früh ein japanischer Animationsfilm in den deutschen Kinos gezeigt, aber bis zu Akira (1988, R: Katsuhiro Otomo), der 1991 in die deutschen Kinos kam, und vor allem Dragon Ball (R: Daisuke Nishio) – eine Serie, die ab 1998 bei RTL II im deutschen Fernsehen lief – waren Animes noch nicht allzu stark im Bewusstsein der hiesigen Gesellschaft angekommen. Erst u.a. durch Dragon Ball wuchs eine ganze Generation im Kontakt mit Animes auf, da sie täglich auf RTL II liefen. Durch den Erfolg von Dragon Ball schafften es so nach und nach immer weitere Animes ins Nachmittagsprogramm der deutschen Fernsehlandschaft und auch ins Kino. Animes wurden einer breiteren Masse zugänglich. Die Geschichte der Animes in Deutschland passt sich an die internationale Geschichte der Animes an, in der Akira und Dragon Ball gleichfalls als Initialzündungen gelten. Doch noch immer nicht schaffen alle Animationsfilme den großen Sprung und werden hierzulande auch im Kino gezeigt, wie z.B. Redline (OT: Redline, 2009).

In einer unbekannten Zukunft findet im 5-Jahres-Rhythmus das härteste und gefährlichste Rennen des Universums, das Redline, statt. Dieses Jahr versucht JP, ein noch unbeschriebenes Blatt und ein Chaot, sich mit seinem gelben TransAm für eben dieses zu qualifizieren. JP und sein TransAm führen eine eher schwierige Beziehung, da ihm das Auto bei höheren Geschwindigkeiten immer wieder um die Ohren zu fliegen droht. Das Redline zeichnet sich durch verschiedene verrückte Teilnehmer aus und JP schafft es, sich durch einen Formfehler dann doch zu qualifizieren. Als dann auch noch herauskommt, dass das Redline auf dem feindlichen Planeten Roboworld stattfindet, sind alle Weichen für ein Rennen gelegt, das spannender kaum sein könnte. JP tritt den Wettstreit, bei dem auch der Einsatz von Waffen erlaubt ist, an und setzt alles daran zu gewinnen.

Anime oder Animation ist die Kunst des bewegten Bildes, welche hier fast ausschließlich im titelgebenen Rennen, dem Redline, zur Geltung kommt. Die Bewegungen sind schnell, fließend und, anders als in langjährigen Animeserien, die gerne Abkürzungen zur Animation nehmen, einzigartig. Bilder wackeln dynamisch und verzerren, um den Zuschauer die Geschwindigkeit der Autos miterleben zu lassen. Stille Bilder gibt es kaum, außer als punktierte Gegenschnitte zum hektischen Renngeschehen, welches dadurch noch mehr an Dramatik und Dynamik gewinnt. Takeshi Koike zeigt, was er schon in seinem Abschnitt der Animatrix (World Record, 2003) zur Perfektion geführt hat: Dynamische Bewegungen und ein Gefühl für Geschwindigkeit, welches den Animationen sonst oftmals verwehrt ist. Dabei stilisiert er alles – so wirkt JP wie ein moderner Elvis Presley mit einer Schmalzlocke, die sich den Gesetzen der Schwerkraft widersetzt – und schafft durch den durchgängigen Einsatz von extremen Veränderungen und Verrenkungen der Charaktere, das sich diese latent abstrus bewegen. Geschwindigkeit und Bewegung erscheinen so nicht nur fließend, sondern auch extrem überspitzt, was dem world building des Films – mitsamt Außerirdischen, anderen Planeten und Robotern – sehr entgegenkommt. Redline ist ein bunter Film voller Flair, der unter dem Großteil der Anime-Produktionen genau dadurch hervorsticht.

Doch geht es nicht nur um Geschwindigkeit und das Redline-Spektakel selber. In den ruhigen Momenten fernab der Rennstrecke werden große Themen wie Diktatur, Spionage, militärische Geheimwaffen sowie die Gefahr von Glücksspiel angerissen. So gleichen die Logos der Armee von Roboworld nicht ohne Grund weitbekannten faschistischen Zeichen und das Redline selber führt zur Aufdeckung ihrer geheimen und ultimativen Waffe. Diese narrativen Elemente stehen aber zugegebenermaßen im Hintergrund der Geschichte um JP, das Redline und die damit verbundenen Gewinne. Sie erweitern das Narrativ, ohne den Anspruch zu erheben Lösungen finden zu können. Es sind satirisch überspitzte Beobachtungen der Welt, die kritisch Gedanken aufzeigen, aber nicht ausformulieren. Der Fokus von Redline bleibt auf dem Rennen, das aber zugleich mehr ist als nur der Kampf um den Sieg.

Redline lief 2010 in Deutschland auf dem Fantasy Film Fest im Kino, was die einzige Möglichkeit für Zuschauer war, ihn auf der großen Leinwand zu erleben. Redline lebt von seiner Größe, seinen bombastischen Sounds und seinen Bildern, die sich ohne zurückzuschrecken in die Netzhaut des Betrachters einbrennen. Kurzum: Redline ist ein Film, der eigentlich ins Kino gehört. Doch auch die BluRay und DVD, die 2011 veröffentlicht wurden, sind sehenswert. Die Geschichte ist nicht die Tiefgründigste und Gefühlvollste, die erzählt werden könnte, ist aber ohne Pause unterhaltsam. Das Spektakel, das sich den Augen bietet, ist ohne Frage sehenswert, vor allem wenn man einen besonders großen Bildschirm oder Beamer zur Verfügung hat. Vielleicht schafft es Redline irgendwann doch noch mal ins Kino, aber bis dahin lohnt er sich auch im Heimkino auf jeden Fall. Man sollte JP in seinem TransAm auf keinen Fall verpassen.

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