Filmbesprechung: Okami – Das Schwert der Rache (Kenji Misumi, 1972)

Filmbesprechung: Okami – Das Schwert der Rache (Kenji Misumi, 1972)

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Es ist 2003 und in den Kinos kehrt Quentin Tarantino mit dem ersten Teil seiner Kill Bill-Saga auf die Leinwände zurück. Einer Rachegeschichte gefüllt mit Zitaten und Verbeugungen vor dem asiatischen Kino der späten 60er bis frühen 80er Jahre. Im Laufe des Epos schaut die Tochter der Braut, um die sich diese Geschichte der Rache dreht, im Fernsehen den Film Shogun Assassin (1980), welcher viele der Hauptelemente von Kill Bill beinhaltet und auch eine Geschichte von Vergeltung, Blut und vom Weg durch die Hölle erzählt. Einen Weg, den man gehen muss, um sich rächen zu können. Shogun Assassin selber ist aber nur der amerikanische Zusammenschnitt der ersten beiden Teile der Lone Wolf & Cub-Filmreihe. Diese aus sechs Teilen bestehende japanische Filmreihe erzählt – wie das Manga – die Geschichte der Familie Itto, von ihrem Fall und der Suche nach Rache von Vater und Sohn.

Okami – Das Schwert der Rache (OT: Kozure Ôkami: Kowokashi udekashi tsukamatsuru, 1972) beginnt damit, wie Ogami Itto (Tomisaburō Wakayama), Scharfrichter des Shoguns, einem Kind im Namen eben dieses Shoguns den Kopf abtrennt. Wir lernen, dass er ein treuer Ergebener des Shoguns ist und den Job des Scharfrichters schon lange inne hat und auch sehr ernst nimmt. Jeden Abend betet er für die Seelen der von ihm – in der Rolle des Scharfrichters – Ermordeten. Als er eines abends mit seinem neugeborenen Sohn Daigoro in den Familientempel zum Beten geht, wird das Anwesen seiner Familie angegriffen. Lautlos werden alle – bis auf ihn und Sohn Daigoro – ermordet.

Ogami findet, als ihm dann auch noch vorgeworfen wird, ein Verräter am Shogunat zu sein, schnell heraus, dass eine der herrschenden Familien ihn hintergangen hat. Er entscheidet sich, statt sich seiner Strafe zu stellen, den Weg der Rache zu gehen und sich so nicht nur gegen den Clan der Yagyu zu stellen, die ihn hintergangen haben, sondern gegen das ganze Shogunat. Ogami wird zum Ronin (herrenlosen Samurai), der durch das Land zieht und Mordaufträge übernimmt.

Sein Sohn Daigoro, der in seinem Alter kaum verstehen kann, worum es geht, wird vor die Wahl gestellt: Tod oder Rache, und folgt nach seiner unbewussten Entscheidung für das Schwert dem Vater auf dem Weg der Vergeltung. Dieser führt sie in Okami – Das Schwert der Rache zu einem Thermalbad in der japanischen Provinz. Ogami wurde angeheuert, hier eine Bande von Banditen auszulöschen, die das Dorf ums Thermalbad terrorisieren – angeheuert von einem Regierungs-Offiziellen, der in Wahrheit jedoch einen Nebenbuhler ausschalten will. Ogami lässt vor Ort einiges über sich ergehen, tötet aber im Showdown nicht nur die Banditen selber, sondern auch den Offiziellen. Was diese Aufgabe mit seiner Rache zu tun hat, erfahren wir in Okami – Das Schwert der Rache aber noch nicht, da muss man sich auf die ganze Reihe einlassen.

Okami – Das Schwert der Rache ist in erster Linie eine Weiterführung der – grade zu dieser Zeit – populären Samuraifilme à la Sanjuro (1962, Akira Kurosawa) und The Tale of Zatoichi (1962, Kenji Misumi). Doch während diese meist von Heldentaten und Ehre handelten, erzählt Okami – Das Schwert der Rache von der Beziehung zwischen Vater und Sohn und dem Erwachsenwerden in einer Gesellschaft geprägt von Gewalt. Gleich wie die Yakuzafilme der frühen 70er von Kenji Fukasak, z.B. die Battles without Honor and Humanity-Reihe (1973-1976), ist auch Okami – Das Schwert der Rache ein Produkt der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bestechliche sowie hinterhältige Politiker tauchen immer wieder auf und das Shogunat selber wirkt wie eine Diktatur, die sich vor allem durch Klassismus ausdrückt. Immer wieder werden Ogami und sein Sohn – und somit auch wir Zuschauer – Zeuge von Gräueltaten an den Ärmsten der Armen. Der Film bietet selber keine Antwort an, wie man dies aufhält, zeigt aber immer wieder, wie Gewalt weitere Gewalt schafft.

Die Drastik der Gewalt ist hierbei unübersehbar. Der Film, der sonst fast schon lautlos ist, explodiert in diesen Momenten durch die Geräusche der Schwerter, die in die Stille schneiden. Aus den Wunden quillt das Blut hervor und abgeschlagene Gliedmaßen finden sich in Massen. Ogami kämpft gegen ganze Gruppen von Feinden, bleibt ihnen aber immer einen Schritt voraus und das, obwohl er immer den Kinderwagen mit Daigoro dabei hat. Die Kampfszenen wirken dabei wie ein schnelles Ballett, da sie kunstvoll und kreativ dargestellt werden. In ihrer Drastik und Gewalt erscheinen sie wie störende Elemente in der wunderschönen Szenerie der japanischen Natur und der fast schon meditativen Stille des restlichen Films. Vor allem diese Zweischneidigkeit in Okami – Das Schwert der Rache führt dazu, dass er sehenswert wird, zwischen Arthouse und Splatter, zwischen Meditation und Krieg oder wie der Film selber sagt: zwischen Himmel und Hölle. Genau da gehen Ogami Itto und sein Sohn Daigoro ihren Weg der Rache und es lohnt sich mitzugehen. Vor allem jetzt grade, wo Disney mit seiner im Star-Wars-Universum verorteten Serie The Mandalorian (2020 -) viele der Handlungspunkte von Lone Wolf & Cub aufgreift und die Geschichte auf neue Art interpretiert.

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