Filmkritik: Der große Coup (Don Siegel, 1973)
Don „Dirty Harry“ Siegel gehörte zu jenen Tausendsassas in der amerikanischen Filmindustrie, die nahezu jedes Genre beackert haben und sich sowohl in der Zeit der Studioära beweisen konnten, wie auch später als freischaffende Regisseure. Am bekanntesten sind sicherlich Siegels Zusammenarbeiten mit Clint Eastwood in den späten 60iger- und 70iger-Jahren, die unter anderem auch Dirty Harry (1971) hervorbrachten. Aus jener Epoche stammt auch der 1973 in den Kinos uraufgeführte Der große Coup (OT: Charley Varrick ), der sich nahtlos in den Kanon jener düsteren Thriller einordnet, die das amerikanische Kino in diesen beiden Dekaden hervorgebracht hat.
Es hätte der perfekte Coup werden sollen für den ehemaligen Stuntpiloten Charley Varrick (Walter Matthau) und seine Komplizen: eine verschlafene Bank mitten im Nirgendwo in New Mexico, vier waschechte Profis, nur schnell rein, abkassieren und dann wieder abhauen. Doch schon beim Überfall geht Einiges schief: ein Polizist und ein Wachmann werden erschossen und zwei der Räuber, darunter auch Charleys Frau, beißen ebenfalls ins Gras. Beim Zählen der Beute erfolgt dann die nächste (böse) Überraschung. Statt der geplanten Summe von einigen Zehntausend Dollar hat man eine Dreiviertelmillion erbeutet. Charley ist schnell klar, dass dies nur eins bedeuten kann: die Bank diente als Versteck der Mafia und nun haben er und sein verbliebener Komplize ein riesiges Problem. Und in der Tat ist die Organisation nicht untätig und setzt den Killer Molly (Joe Don Baker) an, die Diebe aufzuspüren…
They don’t make’em like that anymore… es ist schwer, Der große Coup für Außenstehende zu beschreiben, versprüht er doch dieses spezielle Flair der 70iger-Jahre, das auch Filmen wie Sam Peckinpahs Getaway eigen ist: diese teils rohe Direktheit, sei es in den präsentierten Charakteren, dem auf der Leinwand gezeigten, sondern auch in der Art der Erzählung. Die Geschichte wird dem Publikum nicht schnörkellos ausgewälzt und alles penibel erklärt. Nein, bei Der große Coup gibt es immer wieder Szenen, wo das Handeln der Charaktere nicht erst groß erörtert wird, sondern es einfach geschieht und während dies bei diversen anderen Filmen zu Stirnrunzeln führen würde, wirkt es hier glaubhaft.
Letzteres liegt sicherlich auch daran, dass Siegel uns hier ein extrem nüchternes Amerika präsentiert, welches seine spießbürgerliche Maske auch sogleich nach der wunderbar fotografierten Titelsequenz – die mehr einem Kameratest des neuen PANAFLEX –Systems geschuldet ist und nicht wirklich so geplant war – abwirft, wenn bei dem (miss)glückten Überfall einer der dazu geeilten Polizisten in Großeinstellung per Kopfschuss niedergestreckt wird und dazu mittendrin Walter Matthau, der in den ersten Momenten vollkommen ungewohnt in einem Thriller dieser Art wirkt, verbindet man ihn doch eigentlich viel mehr mit seinen komödiantischen Rollen, die ihn so berühmt gemacht haben.
Und doch verkörpert er die Person des Charley Varricks, die so gleichmütig und verschmitzt wie emotionslos – selbst den Tod seiner Frau scheint er nach außen nicht groß zu betrauern – daherkommt, kongenial mit einer äußerst umgreifenden Gelassenheit, ja Coolness. Allgemein sind die Charaktere in diesem Siegel-Film eine wahre Pracht, an der sich aktuelle Regisseure wie Quentin Tarantino und die Coen-Brüder sichtlich bedient haben. Vor allem Joe Don Bakers Molly könnte ohne Weiteres auch in einem der Filme der letztgenannten Regisseure auftreten, ist es doch eine wunderbar sympathisch-psychopathische Figur voller schwarzem Humor, die uns Don Siegel hier präsentiert
Erwähnenswert ist darüber hinaus auch das grandios inszenierte Finale mit der Verfolgungsjagd von Charley und Molly per Flugzeug und Auto, das auch nach mehr als vierzig Jahren nichts an seiner Faszination verloren hat und auch bei der heutigen Filmgeneration noch immer für große Augen und offene Münder sorgt.
Siegels Filme wurden und werden noch immer teils kontrovers diskutiert und auch Der große Coup dürfte nicht überall auf Gegenliebe stoßen aber wer Gefallen an dem direkten Kino der 70iger-Jahre hat, wird ihn höchstwahrscheinlich lieben und so hoffe ich, dass viele diesen Film (wieder)entdecken werden. Es lohnt sich.