Filmbesprechung: Mandy (Panos Cosmatos, 2018)

Filmbesprechung: Mandy (Panos Cosmatos, 2018)

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Nicht immer muss ein Film, um Gefallen zu erwecken, das Rad gänzlich neu erfinden. So können auch Werke mit etablierten Handlungsmustern- und mechanismen zweifelsfrei ihren Reiz haben, wenn der Filmemacher einen eigenständigen künstlerischen Zugang zum Stoff zu offerieren vermag. Eines der jüngeren Beispiele hierfür liefert zweifelsfrei Panos Cosmatos Spielfilm Mandy (OT: Mandy, 2018), der sich in seinem narrativen Kern auf eine im Verlauf der Dekaden zigfache dargebotene Rachegeschichte herunterbrechen lässt. Doch trotzdem ist Panos Cosmatos Mandy alles, nur nicht gewöhnlich.

Red Miller (Nicolas Cage) lebt mit seiner Frau Mandy Bloom (Andrea Riseborough) in der Abgeschiedenheit der Shadow Mountains. Ihre idyllische Zweisamkeit erfährt ein vorzeitiges Ende, als sich ihre Wege mit dem des Sektenführers Jeremiah Sand (Linus Roache) kreuzen. Mithilfe seiner Children Of The New Dawn dringt dieser in das abgelegene Domizil des Paares ein, um der jungen Frau habhaft zu werden. Als er sich jedoch vor den Augen seiner Sektengefolgschaft durch das Objekt seiner Begierde verunglimpft sieht, gerät die Situation vollends außer Kontrolle und er befiehlt, Mandy vor den Augen ihres Mannes bei lebendigem Leib zu verbrennen.

Im Zuge seines zweiten Langfilms schickt Panos Cosmatos – seines Zeichens Sohn von George Pan Cosmatos ( Die City Cobra und Rambo 2 – Der Auftrag) – den einstigen Blockbuster-Star Nicolas Cage (Face/Off – Im Körper des Feindes, The Rock – Fels der Entscheidung) auf einen drogengetränkten Rachefeldzug, der es versteht, Gegensätzlichkeiten auf psychedelische Art und Weise engzuführen. So lässt sich Mandy als gar meditatives Exploitationwerk begreifen, das zwischen sehr behutsam-leisen Tönen und kreischender Effekt- bzw. Affekthascherei oszilliert. Auf der einen Seite dieser Skala erleben wir Nicolas Cage, wie er zur wundervoll-betörenden Untermalung des verstorbenen Komponisten Jóhann Jóhannsson (Sicario (2015), Arrival (2016), Mother! (2017)) seiner Geliebten entgegenschaut und gänzlich in ihrem Anblick zu versinken scheint. Allein dieser eine ruhige Moment, dieser Blick voll Wehmut, Schmerz und Überwältigung vermag es, alles über die Beziehung des Paares zu kommunizieren, was es zu wissen gilt. Am entgegengesetzten Ende des besagten Spektrums wartet das Werk dann mit Momenten auf, die einem gnadenlosen audiovisuellen Angriff auf die Sinnesorgane des Rezipienten gleichen. Exemplarisch hierfür steht beispielsweise der mit dröhnenden Klängen unterlegte Kettensägenkampf zwischen Red Miller und einem der Sektenjünger. Selten lagen Pulp- und Arthouse-Gestus so dicht beieinander – fast so nah, dass der geneigte Rezipient gar unfreiwillig an jenen Filmschaffenden denken muss, der diesen Spagat im Verlauf seiner Karriere zu perfektionieren gewusst hat: Quentin Tarantino.

Ohne irgendwelche künstlich konstruierten Vergleiche zwischen Tarantino und Panos Cosmatos Mandy herbeizitieren zu wollen, so fällt zumindest eine Parallele ins Auge. Beide fokussieren sich in ihren Werken auf Schauspieler, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten ihre Hollywood-Glanzzeit bereits hinter sich gebracht hatten. Wie Quentin Tarantino seinem Pulp Fiction-Star John Travolta einen zweiten Karriere-Frühling bescherte, so reaktiviert auch Panos Cosmatos mit Nicolas Cage auf fulminante Art und Weise einen Schauspieler, der seinen Zenit längst überschritten zu haben scheint. In beiden Beispielen rekurrieren die Regisseure dabei auf interessante Art und Weise auf die Star-Persona und die filmographische Historie des Akteurs. In Bezug auf Nicolas Cage lässt sich in diesem Zusammenhang eine Besonderheit konstatieren. Bedingt durch sein exaltiertes Schauspiel hielt der Mime über die Jahre hinweg Einzug in die Meme-Kultur und wurde durch zahlreiche GIFs und Fotos zum Internet-Phänomen. Nicolas Cages Schauspiel in Panos Cosmatos Werk wirkt in weiten Teilen nunmehr so, als würde der Regisseur den Schauspieler dahingehend leiten, diese Memes – Destillate jenes extravaganten Schauspiel-Stils par excellence – als Ausgangspunkt seiner hier gelieferten Darbietung zu betrachten.

Neben dieser inhärenten Überspanntheit und Explosivität, die auf schauspielerischer wie handlungstechnischer Ebene zunehmend die meditative Aura des Beginns verdrängen, besticht Mandy aber darüber hinaus durch eine Bandbreite an Themen und Motiven, die den Film für eine tiefer greifende analytische Perspektive öffnen. Neben einem Blick darauf, wie Mandy Momente des Erhabenen und des Unheimlichen durch bestimmte Bildwelten evoziert – bezüglich des letztgenannten Aspekts bietet insbesondere die auffällig permeabel anmutende Architektur des Hauses von Red und Mandy spannende Überlegungsansätze –, lohnt vor allem eine nähere Betrachtung der Themenkomplexe Macht und Kontrolle. Omnipräsent durchziehen sie das Werk wie ein roter Faden. Wiederholt zeigt sich der Film dementsprechend damit beschäftigt, Machtverhältnisse und deren potentielle Umkehr- und Verschiebungsmöglichkeiten auszuloten. Das Finale fungiert hierbei als ultimativer Ausdruck des Prozesses, wenn Red Miller, nachdem er erfolgreich die Jünger des Sektenführers Jeremiah dezimiert hat, mit verzerrter Stimme proklamiert: „I’m your God now!“. Miller setzt sich mit seiner Äußerung an die Stelle jener Instanz, von welcher Jeremiah – gemäß der Aussage des verblendeten Egomanen – die Legitimation seiner eigenen Macht- und Kontrollbestrebungen bezieht. Dem Exploitationfilm-Gestus getreu vollzieht sich dieser hier skizzierte Umkehrungsprozess von Machtverhältnissen anhand von Akten physischer Gewalt, die audiovisuell reißerisch inszeniert daherkommen. Auffällig hierbei ist, dass die zelebrierte Gewalt in Mandy zugleich eine starke Sexualisierung aufweist, wodurch der Film einerseits eine Aura des Anrüchigen kultiviert, aber andererseits bedauerlicher Weise auch eine Lesart befördert, die ein recht reaktionäres Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit heraufbeschwört. Wiederholt steht der Penetrationsakt – sei es die penisförmige Klinge im Genitalbereich eines der Höllenbikers oder die orale Penetration von Brother Swan mit der Streitaxt – für die Ausübung von Macht, während dem Penetrierten die Stellung des Unterlegenen zugeordnet wird. Am deutlichsten wird dieser Umstand im Finale des Werks, wenn Jeremiah offeriert, dem überlegenen Red Miller orale Befriedigung zu verschaffen. Abermals handelt es sich um eine spezifische Form des Penetriertwerdens, die hier mit Ohnmacht und einem Gestus der Unterwerfung enggeführt wird.

Ob die diskutierten Ansätze im Werk nun tatsächlich auf eine reaktionäre Geisteshaltung zurückzuführen oder vielleicht doch nur einem unbedarften Willen zur geschmacklichen Grenzüberschreitung geschuldet sind, lässt sich an dieser Stelle freilich nicht abschließend klären. Letzteres wirkt im Gesamtkontext jedoch wahrscheinlicher, hat sich doch Mandy den audiovisuellen Angriff auf die Rezipienten breit auf die eigene Fahne geschrieben und liefert das Versprochene – als rohe, hoch energetische Mischung aus Pulp und Arthouse-Vehikel – auch ohne zu zaudern ab. Reine Schauwerte verbindet Cosmatos dabei mit Themen, Motiven und auch Inszenierungsstrategien, die genügend Futter für eine tiefer gehende Auseinandersetzung parat halten und das Werk als höchst interessanten Grenzwandler zwischen filmischen Welten markieren.

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