Filmkritik: Höllenfahrt nach Santa Fé (John Ford, 1939)

Filmkritik: Höllenfahrt nach Santa Fé (John Ford, 1939)

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Copyright: Criterion Collection

„My name is John Ford and I make Westerns“ – Obwohl John Ford in seiner fast sechzig Jahre umspannenden Karriere als Regisseur auch unzählige Filme in anderen Sujets gedreht hat, assoziiert man ihn doch immer mit diesem uramerikanischen Genre – dem Western – und mit John Wayne, mit dem er zahllose Filme drehte und der, neben einigen anderen Akteuren wie z.B. Henry Fonda, zu seinen Stammschauspielern gehörte. Der 1939 veröffentlichte Höllenfahrt nach Santa Fé (Stagecoach) nimmt in Fords Oeuvre dabei eine besondere Stellung ein. So ist dies nicht nur die erste Zusammenarbeit mit John Wayne, sondern auch die Rückkehr Fords zu einem Genre, welches er seit mehr als zehn Jahren und dem Aufkommen des Tonfilms nicht mehr bearbeitete. Entstanden ist vielleicht einer der einflussreichsten Western überhaupt, dessen Produktion aber alles andere als einfach war.

Basierend auf der Kurzgeschichte „The Stage to Lordsburg“ von Ernest Haycox und – laut Fords eigener Aussage – garniert durch Einflüsse von Guy de Maupassants Kurzgeschichte „Boule de Suif“, scheiterte Ford zunächst, Produzenten für sein Projekt zu finden. Mit dem Aufkommen des Tonfilms waren Western für die großen US-Studios nicht mehr en vogue, nachdem Filme wie Raoul Walshs Der große Treck (1930) oder Wesley Ruggles Pioniere des Wilden Westens (1931) Anfang der Dreißigerjahre finanziellen Schiffbruch erlitten. Die Tatsache, dass Fords Wunschdarsteller Wayne zu jener Zeit nur noch in B-Filmen – auch Poverty Row Produktionen genannt – auftrat und zu allem Überfluss auch noch in Der große Treck als Hauptdarsteller agierte, vereinfachte die Geldgebersuche nicht gerade. Am Ende war es der unabhängige Produzent Walter Wanger, der grünes Licht gab und so konnte Höllenfahrt nach Santa Fé im Vertrieb der United Artists schlussendlich doch noch seinen Weg auf die Leinwand finden.

Das Grundgerüst des Films selbst ist dabei relativ simpel. Der Apachenhäuptling Geronimo befindet sich auf dem Kriegspfad. Just in dieser Zeit macht sich eine Gruppe mit der Postkutsche auf den Weg von Tonto, Arizona, nach Lordsburg, New Mexico. Unter ihnen befindet sich die schwangere Lucy Mallory, die ihren Ehemann in der Armee besuchen möchte, der Whiskey-Verkäufer Peacock sowie der stets betrunkene Doktor Doc Boone (Thomas Mitchell) und die Prostituierte Dallas (Claire Trevor), die beide aus der Stadt gejagt werden. Wenig später steigen auch noch der Spieler Hatfield (John Carradine) und der Bankier Henry Gatewood ein. Letzterer hat zuvor noch die Einlagen seiner Kunden unterschlagen und möchte sich mit diesen absetzen. Komplettiert wird die Gruppe durch den Kutscher Buck und den Marshall Curly Wilcox, der sich ausnahmsweise als Begleitung von Buck auf den Weg nach Lordsburg macht, da er dort den entflohenen Ringo Kid (John Wayne) vermutet, der den Tod seiner Familie rächen möchte. Wie es der Zufall so will, trifft die Reisegruppe dann auch kurz nach Verlassen von Tonto auf Ringo, dessen Pferd lahmte und der sich ihnen – trotz des Marshalls noch immer seinen Racheplan verfolgend – mehr oder weniger freiwillig anschließt…

Auch nach über 65 Jahren seit der Erstveröffentlichung von Höllenfahrt nach Santa Fé ist es vor allem die Art der Erzählung, die die Zuschauer jedes Mal von neuem in den Bann dieses Films zieht. Gemeint sind damit auch keine inszenierungstechnischen Kapriolen, sondern vielmehr die geniale Simplizität, die John Ford hier an den Tag legt. Gekonnt zögert er zum Beispiel den Auftritt von John Waynes Ringo Kid hinaus, lässt ihn in der ersten Viertelstunde nur mittels Hörensagen erscheinen, um ihn dann, mit einem kurzen Zoom, der einem präzisen Faustschlag gleicht, der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Besser kann man einen kommenden (Welt)Star nicht einführen.

Auch die Darstellung der steten Bedrohung durch die Indianer funktioniert ähnlich effizient. Fast wie eine Spange umschließt dieses Thema den Film, indem gleich zu Beginn von Geronimos begonnenem Kriegspfad berichtet wird und so ein allzeit präsentes Gefahrenbild erzeugt wird, welches bis zum Quasi-Showdown des Films nur durch zwei weitere kurze Szenen – Rauchzeichen am Horizont und ein niedergebranntes Fährhaus – belebt wird und doch die nötige Suspense in dem Film erzeugt, um den Zuschauer zu fesseln.

Dass die Indianer aber eine eigentlich vollkommen uninteressante Rolle in dem Film einnehmen, ist aber der wahrlich größte Clou von Höllenfahrt nach Santa Fé. Viel faszinierender sind nämlich die Interaktionen innerhalb der Reisegruppe, die einem Querschnitt der amerikanischen Gesellschaft gleicht. Mit einer schlafwandlerischen Leichtigkeit und einem Tennismatch gleich, spielen sich die verschiedenen Charaktere die „Dialogbälle“ zu, eingerahmt durch die durch die Prärie fahrende Pferdekutsche. Dabei dient vor allem Thomas Mitchells Doc Boone immer wieder als sog. comic relief, der durch Mimik, Gestik oder eine pointierte, alkoholgeschwängerte Weisheit, die Spannung gekonnt aufbricht und die schon erwähnte Leichtigkeit in der Erzählung unterstreicht. Bei all der Unterhaltung kommt aber auch eine durchaus sozialkritische Komponente hinzu, denn Ford entlarvt ziemlich schnell die angeblichen, moralischen Instanzen mit all ihren Vorurteilen.

So sind es dann auch diese schon fast kammerspielartigen Szenen innerhalb der Kutsche und auch in den Gebäuden, an denen während der Reise Station gemacht wird – immer wieder extrem durchbrochen durch die weiten Einstellungen der unwirklich erscheinenden Landschaft des Monument Valleys -, die den Reiz des Filmes ausmachen und die Gesellschaft an der Frontier vor dem krassen Hintergrund des rauen Westens und seiner Natur zeigen. John Ford erschafft mit diesem Film sein Inbild des Westens, welches er in seinen späteren Werken immer wieder aufgreifen wird.

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